Anja Rumig

Die „raumgreifenden Lineaturen“ stellen ein eigenes, der Malerei entgegengesetztes und dennoch aus ihr hervorgegangenes Genre im Werk der Künstlerin dar. Es mag paradox klingen, doch es geht in ihnen am wenigsten um die Linie als grafisches Element, sondern und nach wie vor um Flächen, die sich allerdings nun nicht mehr auf der Leinwand überlagern, sondern im realen Raum durchdringen.

Die Idee zu diesen plastischen Gebilden entwickelte Christine Gläser während der Entstehungsprozesse ihrer Gemälde, die als komplexe Konglomerate aus vielfältigen Farbflächen und Farbformen Bild- und Farbräume illusionieren. Die Bewusstwerdung über die Grenzbereiche der aneinanderstoßenden Farbzonen, über das, was sie als imaginäre Raumeinheit offen lassen, führte sie zur Entscheidung, gerade diese unausgefüllten Zonen als raumdurchdringende plastische Lineaturen zu materialisieren und das, was in den Bildern durch Farbe verkörpert wird, zu entmaterialisieren und, allein durch die Trennlinien definiert, als Fläche im Raum wahrnehmbar zu machen.

Auch beim Herstellungsprozess ihrer plastischen Wandobjekte verfährt sie so wie beim Herstellungsprozess ihrer Bilder: Ohne vorheriges Konzept löst sie mit dem Schneidemesser verschiedenartige Flächengebilde aus der Graupappe heraus. Sie prüft, dreht das Objekt, wie sie auch ihre Bilder während des Malaktes mehrfach wendet, schneidet den entstandenen Formen mit vollem Risiko entgegen. (...)

Ein wichtiges, anspornendes Moment dabei ist, dass sie dafür keinerlei Rücksicht nehmen muss auf ein viereckiges Bildformat, sondern nun nach allen Seiten in den Raum hineinarbeiten kann.